6 WOCHEN ALLEINERZIEHEND AUF BALI

Ich wollte gerne zu den Frauen gehören, die so etwas tun: alleinerziehend mit meiner fast zweijährigen Tochter Luna nach Bali gehen und von dort aus arbeiten. Um so eine Frau und Mutter zu werden, muss man es auch tun. Also habe ich mich bei Freundinnen informiert, die so etwas ähnliches (allerdings zusammen mit Partner) bereits gemacht haben und jetzt möchte ich fuer dich diese Freundin sein und dich darüber informieren, wie es klappen kann und was die grossen Vorteile, Möglichkeiten und Herausforderungen von Alleinerziehend auf Bali sind. 

Ungewohntes Bild: Digital Nomad alleinerziehend mit Kind.

Denn die kurze Antwort ist: Es ist wunderschön alleinerziehend auf Bali zu sein und nach diesen sechs Wochen frage ich mich eher: wie um Himmels Willen schaffe ich es alleinerziehend in Deutschland? 

Wahnsinnig viele Dinge, die mir als Mutter in Deutschland schwer fallen, wie zum Beispiel gesunde Ernåhrung, Haushalt, Sport, Drauessen sein und Spirituelles Leben, passieren hier ganz automatisch. Ich ernähre mich top gesund und zwar günstig und mit Freude. Frische Säfte, Frühstück-Bowls, gesundes Essen und Tees sind überall zu bekommen. Die meisten Gerichte kosten zwischen 2 - 5 Euro und frische Smoothies zwei bis vier Euro. Und das ist im Restaurant oder per Lieferservice. Street Food findet man auch für einen Euro. 

Die meisten Häuser und Unterkünfte verfügen über einen Pool und so gehen wir täglich mindestens zweimal baden. Meistens eher dreimal, weil Luna es mittlerweile gewohnt ist, dass wir direkt nach dem Aufstehen rein springen und dann nochmal nach dem Kindergarten und vor dem Schlafen. Innerhalb von einer Woche hat sie gelernt, sich mit Schwimmflügelchen über Wasser zu halten und so kommen wir tatsächlich beide zum Schwimmen - Und das ohne Schwimmsachen zu packen, zum Freibad fahren, Eintritt zahlen, Eis kaufen und dann großer Diskussion, wenn man nach Hause muss. Unsere inneren Meerjungfrauen fühlen sich hier vollkommen zuhause und wir sind mehr in Balance als je zuvor. Wir gehen müde, sonnen- und wassererfüllt ins Himmelbett und unser größter Kampf ist der gegen die Moskitos. 

Der Pool war genau 10 Schritte von unserem Bett entfernt.

Und ich liebe das spirituelle Leben auf Bali, das so alltäglich, fröhlich und hingebungsvoll von Männern und Frauen praktiziert wird. Die ganzen Straßen sind gefüllt mit Blumen und Räucherstäbchen und ich habe mir angewöhnt, mit Luna jeden Tag ebenso ein Morgenritual zu machen, bei dem wir ein Bananenblatt mit Blüten füllen und ein Stäbchen anzuzünden. So üben Luna und ich uns in Dankbarkeit und fühlen uns eingebunden in den großen Kosmos von Natur und Leben und nicht abgeschnitten Zuhause. 

Morgendliches Dankbarkeitsritual mit Luna.

Zu meinen Finanzen: Ich fühle mich persönlich sehr reich, aber das Finanzamt würde mich eher am unteren Ende der Nahrungskette einstufen. Auf Bali zu leben ist wesentlich günstiger als in Deutschland. Das teuerste ist der Flug (zw. 900 - 1.500) und das Visum (90 pro Person und Kind) und die komplette Kranken- und Reiseversicherung (100 Euro). Deshalb sind wir auch sechs Wochen vor Lunas zweiten Geburtstag geflogen, denn so lange fliegt sie immerhin gratis. 

Vor Ort kann man für 15 - 30 Euro die Nacht super Unterkünfte mit Pool bekommen, während ich in Deutschland meine Wohnung für einen höheren Tagessatz auf AirBnB vermieten kann. Der Wäscheservice kostet ca. 3 Euro. Man bringt seine Wäsche hin und bekommt alles gewaschen, getrocknet und gefaltet zurück und das spart mit Kleinkind so unfassbar viel Zeit. 

Der Naturkindergarten kostet ca. 60 Euro pro Woche (Mo. - Do. von 8 bis 12.30h mit vegetarischem Essen und Obst). Und vor allem: sie nehmen dein Kind einfach und unkompliziert auf. Eine kleine Whatsapp-Nachrichten-Absprache reicht und schon darf dein Kind kommen. Das ist in Deutschland so vollkommen unmöglich, dass man es fast nicht glauben kann, dass Kinderbetreuung so einfach, günstig und liebevoll sein kann. Es gibt keine komplizierte Eingewöhnung und da Luna von klein auf Kontakt mit vielen Menschen gewöhnt ist, ist es für sie kein Problem, ein paar Stunden ohne mich zu sein. Das kann natürlich je nach Kind und Routine variieren. 

Durch den Kindergarten habe ich genug Arbeitszeit und da Haushaltsarbeiten fast komplett wegfallen, sogar mehr Zeit als in Deutschland. Und auch die Zeitverschiebung spielt mir in die Karten. Wir leben hier 7 Stunden in der Zukunft. Das heißt, wenn Luna um 20h schlafen geht, dann ist es 13h in Deutschland und ich erreiche privat oder beruflich meine Ansprechpartner*innen. 

Auf dem Weg zum Kindergarten.

Diesen Schritt nach Bali zu wagen, war auch für mich ein Abenteuer und triggerte dementsprechend viele Ängste bei Freund*innen und Familie. So wurde ich öfter mit den Ängsten von anderen vertraut gemacht, als mir lieb gewesen wäre, denn wenn ich nach der Angst vor Magen-Darm meinen Kompass skalieren müsste, dann dürfte ich sie auch in Deutschland nicht in die Kita lassen. Und tatsächlich blieb Luna von Magen-Darm komplett verschont. 

Ich verstehe, dass sich viele Menschen Struktur und Alltag für sich und ihre Kinder wünschen, denn das Leben in Deutschland ist so streng getaktet, dass es anders kaum geht. Kita, Arbeit, einkaufen, waschen, putzen, kochen, mit dem Kind spielen, Abendroutine und wieder von vorne. Ich verstehe auch den Wunsch nach Wurzeln und Beständigkeit, aber während ich Luna vom Wasser aus betrachte, wie sie mit Freunden von mir spielt und sofort ihre Namen kennt und sie in ihre Spiele einbezieht, denke ich, dass Freundschaften nicht nur durch Beständigkeit geformt werden. Manche Kinder leben vielleicht jahrelang am gleichen Ort und finden nur schwer Anschluss. Verbindung zu leben ist eine Gabe, die ich Luna vorlebe und kultiviere. Wir zählen vor dem Einschlafen die Menschen auf, die wir lieben und im Herzen tragen. Ich drucke Bilder aus und zeige ihr immer wieder ihre Freund*innen und ihre Familie. Und auch ihr Papa, der nicht immer bei uns ist, den nehmen wir im Herzen mit. Wir verbinden uns mit Orten und Menschen aus Freude und Dankbarkeit und sind mittlerweile beide begabt darin, egal wo wir sind. 

Luna lernt allen das Haare-waschen-Lied

Ich wünsche mir und meiner Tochter, dass wir flexibel bleiben. Dass wir unser Wissen aus mehreren Kulturen beziehen, dass Luna lernt, dass alles möglich ist und sie im Kern ihres Wesens frei und magisch ist. Ich wünsche mir, dass sie (und ich) keinen Mangel erfahren, weil sie viel ohne ihren Papa ist, sondern ihr Liebe und Freude begegnen. Dafür muss vor allem ich persönlich schauen, dass ich mich nicht am Rande der Belastbarkeit aufhalte, sondern erfüllt, glücklich und selbstbestimmt durchs Leben schreite. Und dass ich nicht auf große Abenteuer verzichte, nur weil ich ohne Partner reise. Ich habe mich mit einer befreundeten Familie und zwei Freunden verabredet und mit ihnen jeweils fast drei Wochen auf Bali verbracht. Am Anfang tat es weh, weil ich meinem Wunsch nach Dreisamkeit und Entlastung Raum geben musste. Was ist das Paradies ohne Partnerschaft? Bekannte Ängste und Zweifel kamen in Tränen ans Tageslicht, aber die Tränen habe ich auch in Deutschland. Ich lerne immer wieder meine Konzentration auf das Geschenk Luna zu richten und die Dinge so anzunehmen wie sie sind. Und die tägliche Entlastung ist auf Bali enorm, weil einkaufen, putzen, kochen und Wäsche fast komplett wegfallen und ich viel mehr Zeit als sonst für Ausflüge, gemeinsames Spielen, Kuscheln und Schwimmen habe. 

Die größte Herausforderung war für mich der Langstreckenflug mit Kleinkind und den kann ich persönlich nicht schön reden. Es ist anstrengend, stundenlang das Kind zu beschäftigen oder sich um seinen Schlaf zu kümmern, während man selber todmüde und gleichzeitig super aufgeregt ist. Aber die Zeit vergeht Stunde für Stunde und ab und zu trifft man andere Eltern in den Gängen, die ihr Kind tragen oder ihm hinterherlaufen. Und dann schläft das Kind und vielleicht schafft man es sogar, einen ganzen Film anzuschauen oder auch nicht. Es ist eine Zeit im Vakuum des Raum-Zeit Kontinuums und Luna wird beim Rückflug irgendwann und irgendwie und schlafend im Transitbereich in Bangkok zwei Jahre alt und ich feiere alleine, erschöpft und glücklich mit Reispudding und Matcha Latte.

Luna wie ich sie liebe: selbstbestimmt und bereit für alles.

Mir ist das Privileg, das wir auf Bali genießen durften, bewusst und ich schätze es sehr. Ich weiss, dass wir einen CO2- Abdruck durch den Flug hinterlassen haben, aber gleichzeitig fühlte sich unser Leben dort so viel natürlicher und eingebundener an. Ich weiss, dass die Menschen auf Bali weniger verdienen, für Essen kochen, Wäsche waschen, Kinderbetreuung und Putzen, aber ist das wirklich das Hauptargument, angesichts der Tatsache, dass wir (meistens) Frauen das alles unbezahlt leisten in Deutschland? Ich frage. 

Ich erlebte eine Utopie, die auf Kapitalismus und Ausbeutung fußt, aber ich erlebte sie und das verändert mich und meine Wünsche an die Zukunft. Ich persönlich will nicht auswandern, denn das kann nicht die Lösung für alle sein, aber ich möchte dieses Lebensgefühl im Herzen speichern und Wege finden, ein neues Gleichgewicht in meinem Leben möglich zu machen. Durch Teilen, Gemeinschaft und Verbundenheit mit der Natur. 

Fotos by Ramadhan Pras , den ich zufällig kennenlernte, als mein Computer am zweiten Tag kaputt ging und ich sofort einen neuen besorgen musste. Nämlich seinen dann über Facebook Marketplace.

Ich möchte auch anderen Müttern und Eltern dabei helfen, durch ihr Kind und mit ihrem Kind Freiheit zu erfahren. Momentan nehme ich an einer 14-monatigen Coaching Ausbildung teil und will anschließend als Coachin arbeiten.  Kontaktiert mich gerne, wenn ihr Hilfe oder Anregungen sucht.

Petra Leonie Pichler